Sonntag, 12. August 2012

Das Bermuda-Dreieck: Todeszone oder Seemannsgarn?

Schiffe, die ohne Besatzung übers Meer treiben, Flugzeuge, die spurlos verschwinden: Das Meer zwischen Florida, Puerto Rico und den Bermudas ist berüchtigt. Kommt es im Bermuda-Dreieck aber tatsächlich zu so vielen seltsamen Unfällen? Und wenn ja, warum? Der unheimliche Ruf des Bermuda-Dreiecks kommt nicht von ungefähr: Zahllose Menschen sind in den letzten Jahrzehnten in dieser geheimnisumwobenen Meeresregion verschollen. Selbst ganze Schiffe und Flugzeuge verschwanden für immer. Wissenschaftler allerdings wollen sich nicht mit Gerüchten über dunkle Mächte, die hier ihr Unwesen treiben, Seeungeheuer oder gar Außerirdische zufriedengeben: Nach langjähriger Forschungsarbeit und mit Hilfe moderner Satellitentechnik glauben sie, den mysteriösen Ereignissen auf die Spur gekommen zu sein.

An einem sonnigen Wintertag im Jahr 1970 fliegt der amerikanische Hobbypilot Bruce Gernon von den Bahamas zurück nach Florida. Als er mit seiner Maschine höher steigt, taucht plötzlich eine zigarrenförmige Wolke auf. Gernon versucht, ihr zu entkommen, doch je höher er steigt, desto größer wird sie. Erst in 3.500 Metern Höhe kann er die Wolke hinter sich lassen. Einige Sekunden später versperren ihm riesige Gewitterwolken die Sicht, ein Ausweichen ist fast unmöglich. Vor ihm verbinden sich zwei Wolken miteinander und formen einen Tunnel. Gernon sieht keinen anderen Ausweg als durch diesen Tunnel hindurch zu fliegen. Doch dort drehen sich die Wolken wie ein Karussell und bringen die Maschine vom Kurs ab. Auch die Messinstrumente spielen verrückt: Der Kompass dreht durch, der Fluglagenanzeiger zeigt eine Kurve an, obwohl Gernon geradeausfliegt. Als der Pilot endlich wieder Land sieht, ist er über Miami, circa sechzig Kilometer ab vom Kurs – aber er hat überlebt
Weniger Glück haben die Piloten von „Flight 19“ am 5. Dezember 1945: Bei guter Wetterlage überqueren sie mit fünf amerikanischen Militärflugzeugen das Bermuda-Dreieck – und verschwinden für immer spurlos. Auch das kurz darauf entsandte Aufklärungsflugzeug der US-Regierung bleibt verschollen. Selbst Wrackteile werden nie gefunden. Jahre später rekonstruieren Wissenschaftler anhand der letzten aufgezeichneten Funkkontakte die Flugroute des Geschwaders: Offenbar hatten Piloten vollkommen die Orientierung verloren. „Flight 19“ ging als wohl berühmteste Katastrophe in die Geschichte des Bermuda-Dreiecks ein.
Lange Zeit vermutete man, dass eine magnetische Anomalie Ursache für die vielen Unfälle sei. Im Bermuda-Dreieck, das erklärte unter anderem die U.S. Navy, ist auf die Anzeige der Kompassnadel kein Verlass mehr: Statt wie normal in Richtung des magnetischen Nordpols zu zeigen, richtet sich die Nadel auf den geografischen Nordpol aus. Der Grund sind Konvektionsströmungen im Erdinneren, die hier besonders stark ausgeprägt sind. Piloten und Kapitäne können dadurch die Orientierung verlieren und vom Kurs ab kommen. Nur in zwei Gebieten der Welt ist dieses Phänomen besonders stark ausgeprägt: im Japanischen Teufelsmeer und im Bermuda-Dreieck. Allerdings sind diese Anomalien jedem Piloten bekannt – und sie können auch nicht für alle Geschehnisse im Bermuda-Dreieck eine Erklärung liefern. Deshalb kam Forscher im Jahr 1984 eine andere Idee: So genannte Monsterwellen – „Freak Waves“ – könnten für die Unfälle verantwortlich sein. Denn: Wenn die Strömung des Golfstroms, der entlang der amerikanischen Küste von Süden nach Norden fließt, auf Sturmfronten trifft, die in entgegengesetzter Richtung strömen, entstehen auf der Rückseite des Sturms riesige Wellen. Die Wassermassen prallen dann so heftig aufeinander, dass sich die Freak Waves meterhoch auftürmen. Doch im Bermuda-Dreieck verschwanden Schiffe nicht nur bei Stürmen – auch bei guter Wetterlage und ruhiger See schienen sie plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Also wurde eine dritte Theorie verfolgt. Am Grund des Meeres im Bermuda-Dreieck gibt es große Methanvorkommen. Methan bildet sich aus Überresten von Tieren und Pflanzen, die sich im Laufe von Jahrtausenden angesammelt haben. Durch Bewegungen der Erdkruste können die festen Methankugeln wieder in den gasförmigen Zustand übergehen und an die Wasseroberfläche aufsteigen – so genannte „Blow-Outs“. Die Folge: Die Wasserdichte nimmt ab, Schiffe verlieren ihren Auftrieb und sinken. Dass niemals Wrackteile gefunden wurden, lässt sich durch den Golfstrom erklären: Er dürfte die Überreste von Schiffen oder Flugzeugen innerhalb kürzester Zeit in den offenen Atlantik gespült habe. Eine Frage bleibt jedoch: Könnten die Methangaswolken derart hoch aufsteigen können, dass sie auch Flugzeuge gefährden? Bis heute haben Wissenschaftler darauf keine Antwort gefunden. Doch kommt es im Bermuda-Dreieck tatsächlich zu mehr Unfällen als anderswo? Die U.S. Navy hält das für fragwürdig: Sie ist der Ansicht, dass im Bemuda-Dreieck trotz aller geografischen Besonderheiten nicht mehr Schiffe gekentert sind als auf anderen Meeren. Stürme, Piraten, technische Probleme oder schlicht menschliches Versagen hätten schon immer zu Untergängen geführt. Auch der US-amerikanische Autor und Pilot Lawrence Kusche hatte schon früh Zweifel an den Legenden, die sich um das Bermuda-Dreieck rankten. Er überprüfte nicht nur sämtliche vorliegenden Berichte, sondern flog die Strecke des Todesflugs „Flight 19“ auch selbst ab. Unter anderem stellte er fest, dass sich viele der geschilderten Unglücke keineswegs im Bermuda-Dreieck ereignet hatten, sondern irgendwo über dem Atlantik. Also alles nur ein Mythos? Die Frage, was mit „Flight 19“ oder spurlos verschwundenen Schiffen wie der„Marine Sulphur Queen“ geschah, kann trotz aller Forschungsarbeit immer noch nicht beantwortet werden. Ob magnetische Anomalien, Monsterwellen, Methangasblasen oder Seemannsgarn, restlos gelüftet ist das Geheimnis des Bermuda-Dreiecks bis heute nicht. Die berüchtigte Region beflügelt also weiterhin die Phantasie der Menschen – und fordert die Wissenschaft.

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