Der Dschungel dampft, Harrison Ford
kämpft sich im Kinoabenteuer „Indiana Jones und das Königreich
des Kristallschädels“ durchs Unterholz. Seine Expedition nach Peru
gilt einem der geheimnisvollsten Kunstwerke der Menschheit: Um kein
Artefakt ranken sich so viele Mythen wie um die aus Bergkristall
gefertigten Schädel. Wurden sie von Maya-Priestern für Todesflüche
Verwendet. Brachten Außerirdische die Objekte zur Erde? Existieren
weltweit genau 13 Stück, die zusammen den Weltuntergang verhindern
können, wenn am 21. Dezember 2012 der Maya-Kalender endet?
So weit die Legenden. Die Wirklichkeit
sieht nüchterner aus. Bislang gibt es keinen einzigen
wissenschaftlichen Beweis, dass die Kristallschädel aus dem Reich
der Maya oder der Azteken stammen. Erst im 19. Jahrhunderts tauchen
sie auf – wie aus dem nichts. Händler wie der Pariser Antiquar
Eugene Boban (1834 – 1908) bringen sie in Umlauf. Ein Schädel,
angeblich in Mexiko gefunden, landet im Britischen Museum in London.
Einen anderen verkauft Boban auf Umwegen an das Pariser Musee du quai
Branly. Er ist kleiner, gröber und besteht aus trübem Quarz. Auch
der britischer Schriftsteller Frederick Albert Mitchel-Hedges (1882 –
1959) will einen 5,3 Kilo schweres Exemplar bei seiner Expedition ins
damalige Britisch-Honduras persönlich ausgegraben haben.
Kultgegenstand oder Fälschung? Die Altersbestimmung mit der
Radiokarbonmethode lässt darüber Rückschlüsse zu. Das Material
ist zweifellos uralt – doch wann wurde es bearbeitet? 1996 startet
das Britisch Museum eine aufwendige Untersuchung ihres umstrittenen
Ausstellungsstücks. Rasterelektronenmikroskope entlarven: Der
Kristallschädel weist Spuren moderner Schleifwerkzeuge auf. „Er
kann nicht aus der Zeit der Azteken stammen“, fasst Museumsexpertin
Margaret Sax die Ergebnisse zusammen. „Vermutlich wurde er in
Europa in der zweiten Hälfte des 19, Jahrhunderts hergestellt.“
Auch das Pariser Exponat ist nachweislich eine Fälschung. 2008
findet das Forschungs- und Restaurationszentrum der französischen
Museen (C2RMF) Hinweise, dass die Schleifarbeiten erst vor rund 150
Jahren stattfanden.
Eine Spur führt nach Deutschland –
ins beschauliche Idar-Oberstein. Die Stadt im Hunsrück gilt als
Metropole der Edelsteinschleifer. Hier wurden möglicherweise
seinerzeit die Kultobjekte hergestellt, im Auftrag von Kunsthändlern,
die am rapide Funde verdienen wollten. Für die Ausstellung
„Schädelkult“ (noch bis 14, Oktober 2012 im Schloss Gottorf bei
Schleswig) des Mannheimer Museums wurde ein Edelsteinschleifer aus
Idar-Oberstein im vergangenen Jahr aktive. In 600 Arbeitsstunden
schuf er einen vier Kilo schweren lebensgroßen Kristallschädel. Die
Legende Lebt.
Quelle: Hörzu Wissen
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