Montag, 12. Dezember 2011

Ein Schubs für Merkur

Merkur aufgenommen von Mariner 1

Ein Asteroideneinschlag riss den kleinen Planeten aus seiner ursprünglichen Lage

Vor fast vier Milliarden Jahren wandte der Planet Merkur der Sonne womöglich immer die gleiche Seite zu, ähnlich wie der Mond der Erde immer das gleiche Gesicht zeigt. Doch ein heftiger Zusammenstoß mit einem mindestens 70 Kilometer großen Asteroiden brachte den Planeten ins Trudeln, berechneten Forscher um Mark Wieczorek von der Université Paris
Diderot. Heute dreht er sich bei jedem Umlauf um die Sonne eineinhalbmal um sich selbst. Ein Merkur-Jahr umfasst also nur 1,5 Merkur-Tage.

Bislang nahmen Planetenforscher an, dass sich der Merkur ursprünglich viel schneller um die eigene Achse drehte und dass die Anziehungskraft der Sonne den Planeten immer weiter abbremste, bis er schließlich in seine heutige Lage kam, die 3:2 Resonanz (so genannt, weil Merkur sich dreimal um die eigene Achse dreht, während er zweimal um die Sonne kreist). Wieczorek und seine Kollegen fanden diese Erklärung allerdings unbefriedigend, weil es Berechnungen zufolge viel wahrscheinlicher ist, dass der Brems-Prozess Merkur in die so genannte 1:1-Resonanz bringt, bei der er der Sonne immer das gleiche Gesicht zeigt.

Die Forscher untersuchten nun die Wahrscheinlichkeit für ein anderes Szenario: Demnach befand sich Merkur zunächst in der 1:1-Resonanz, wurde dann aber durch einen Einschlag wieder in Drehung versetzt. Ihre Berechnungen zeigen, dass solch ein Ereignis mit hoher Wahrscheinlichkeit zur heutigen Drehbewegung führte.

Auch auf der Oberfläche des Planeten finden sich Hinweise darauf, dass sich die Geschichte tatsächlich so abgespielt haben könnte. So rechneten die Forscher aus, wie größere Krater auf Merkurs Oberfläche verteilt sein müssten, wenn er der Sonne immer das gleiche Gesicht zuwendet. Wie sie schreiben, müssten Kometen und Asteroiden vor allem das Zentrum der Sonnen- und der Nachtseite treffen. Die Übergangszonen sollten dagegen weniger häufig getroffen werden. Tatsächlich weisen die größeren Krater eine streifenförmige Verteilung auf, berichten die Forscher.

Die Theorie liefert auch eine Erklärung für merkwürdige Hohlräume („Hollows“) auf der Oberfläche. Als Merkur sich in der 1:1-Resonanz befand, könnten sich flüchtige, eisförmige Stoffe auf der kühlen Nachtseite angesammelt haben. Bei Einschlägen wurde das Eis unter dem Schutt begraben. Als sich Merkur aber wieder schneller zu drehen begann, fiel Sonnenlicht auf die Depots. Als das Eis bei der Hitze sublimierte, entstanden die auffälligen Kuhlen.

Der Einschlag, der den kleinen Planeten aus seiner ruhigen Bahn schubste, könnte auch das 1500-Kilometer große Caloris-Becken erzeugt haben. Wie die Forscher schreiben, liegt der Krater an der richtigen Stelle und hat die richtige Größe, um dem Planeten den nötigen Schub verpasst zu haben. Auch das Alter - etwa 3,8 Milliarden Jahre - passt zu dieser Theorie.

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